Reifen der Zukunft: Schmale Ränder und großer Felgendurchmesser sorgen für niedrigen Spritverbrauch

Schmalere Reifen sollen zukünftig für eine deutliche Spritersparnis sorgen // Bildquelle: depositphotos.com / Erdal3416

Schmale Reifen werden von Autofahrern bislang als “Trennscheiben” bezeichnet, da ihre Proportionen fatal dem entsprechenden Werkzeug ähneln. Als die Dreiliter-Version des Audi A2 vor rund zehn Jahren mit 15,5 Zentimeter dünnen Reifen auf den Markt kam und damit Designkonzepte der 1980er Jahre aktualisierte, erntete das Fahrzeug deswegen vor allem Spott.

Groß und schmal: Das ist der Reifen der Zukunft

Standard sind aktuell und analog zu Sportwagen auch für die “Alltags-Klasse” möglichst breite Reifen sowie große Felgen mit möglichst schmalen Gummi-Rändern. Mit dem Reifen der Zukunft hat dieses Konzept allerdings nichts mehr zu tun. Dieser wird tendenziell schmaler werden, der Durchmesser der Felgen wächst dafür stark an.

Das Konzept “Large/Tall and Narrow” (“Groß und Schmal”) hat zum Ziel, den Rollwiderstand des Reifens erheblich und den Luftwiderstand zumindest etwas zu verringern und damit den Spritverbrauch zu senken. Gleichzeitig ist damit ein Konstruktionsansatz im Mainstream angekommen, den man eigentlich für energieeffiziente Elektroautos wie den BMW i3 entwickelt hatte.

Spritersparnis durch geringeren Rollwiderstand

Für den VW Golf sind die schmaleren Reifen beispielsweise bereits in Produktion gegangen. Für diesen finden bisher meist Reifen mit der Kennung 205/55 R16 Verwendung. Die erste Zahl bezeichnet die Reifenbreite in Millimetern, die zweite das Verhältnis der seitlich sichtbaren Flanke zur Reifenbreite. Je kleiner das Verhältnis ist, desto sportlicher fallen Optik und Fahrverhalten des Reifens aus. Das “R” informiert über den Aufbau des Reifens, hier das handelsübliche Radialsystem, die 16 bezieht sich auf einen Felgendurchmesser von 16 Zoll.

Der Reifenhersteller Continental hat jetzt ein Nachfolgemodell mit den Kennziffern 195/55 R20 entwickelt, das um einen Zentimeter schmaler ist, jedoch einen um vier Zoll größeren Felgendurchmesser aufweist. Die Spritersparnis durch den neuen Reifen soll vier Prozent betragen, ohne dass sich Reifeneigenschaften oder Fahrverhalten ändern. Ein VW Golf, der für 100 Kilometer 5,2 Liter Benzin verbraucht, spart somit durch die neuen Reifen rund zwei Zehntelliter Kraftstoff. Der Trend zum Spritspar-Reifen und die entsprechenden Innovationen werden maßgeblich durch die Strafvorgaben der EU-Kommission vorangetrieben, die bei Überschreiten der geforderten CO2- und Verbrauchsvorgaben drohen.

Neue Reifen erfordern veränderte Autokonstruktion

Zum Treibstoffsparen trägt der größere Außendurchmesser des neuen Reifens bei, der von 63,4 Zentimeter (beim 205/55 R16) auf 72,4 Zentimeter (beim 195/55 R20) gewachsen ist. Der größere Durchmesser verringert die “Walkarbeit”, respektive das Abflachen des Reifens bei der Bewegung auf der Fahrbahn. Der Rollwiderstand des Reifens, der in einem normierten Fahrzyklus rund 20 Prozent des Spritverbrauchs verursacht, wird hierdurch gesenkt. Außerdem verändert sich durch die neuen Proportionen der sogenannte “Latsch”, also die Aufstandsfläche des Reifes auf dem Untergrund. Bisher war dieser eher kurz und breit, der neue Trend geht nun nach “schmal und lang”. Der Latsch wird für den Spritspar-Reifen de facto um 90 Grad gedreht. Fahreigenschaften, Bremsweg und Verschleiß sind davon nicht betroffen.

Allerdings lassen sich die neuen Reifen nicht einfach auf ein beliebiges Auto ziehen. Bei gleicher Konstruktion verlagert sich der Schwerpunkt des Wagens durch den Spritsparreifen nach oben. Die Gesamtkonstruktion des Autos muss also entsprechend abgeändert werden. Eine neue Fahrzeuggeneration, die diesen Änderungen Rechnung trägt, ist in großem Maßstab bisher nicht in Sicht. Beispielsweise ist der VW Golf VII gerade erst erschienen. Bis ein auf Spritsparreifen optimiertes Nachfolgemodell auf den Markt kommt, dürfte also noch einige Zeit vergehen.

Der “Chic der Kutsche” – vom Elektromobil zum Mainstream


Das Potential der neuen Reifengeneration zeigen die bisher bekannten Vorabstudien des BMW i3. Diesen will man im September auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt präsentieren. Für das Elektroauto kamen Bridgestone-Reifen mit den Maßen 155/65 R19 zum Einsatz. Der Rollwiderstand des Bridgestone-Reifens soll um 30 Prozent niedriger sein als bei einem konventionellen Reifen mit der Kennung 175/65 R15.

Anders als Continental arbeitet der japanische Reifenhersteller dabei auch mit einem höheren Luftdruck. Experten vermuten etwa 3,5 Bar. Ob dieser negative Folgen für den Fahrkomfort des Autos hat, werden demnächst die ersten Fahrtests zeigen. Bridgestone führt allerdings bereits jetzt die höhere Sicherheit ins Feld: Der Forschungsreifen punktete bei Nässe mit einer um acht Prozent höheren Fahrbahnhaftung.

Dass Elektroautos mit der gespeicherten Energie besonders sparsam umgehen müssen und daher einen geringen Fahrwiderstand benötigen, hat perspektivisch positive Folgen für alle Autotypen. Ebenso spannend sind die Folgen des neuen Trends für das Design zukünftiger Autos. Auf den Skizzen der Designer erscheinen immer mehr Prototypen mit großen, schmalen Rädern. Der “Chic der Kutsche” wird also sehr wahrscheinlich die automobile Zukunft prägen.

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